Fast alle Bilder Gollers haben zeichnerische Elemente. Für ihn ist das Zeichnen eine neue Quelle. So finden sich auf seinen Bildern oft ähnliche Gegenstände bei den in Görlitz gezeigten sind es oft Schachfiguren. Ein Markenzeichen sind Gollers hieroglyphenartige Schriftzeichen. Seine selbst entworfene Schrift gehört zu jener Balance, dem eher Thematischen, das er als notwendig empfindet. Sein typisches Bild im Bild gehört ebenfalls dort dazu. Als Kontrast zu Farbe und Fläche. Die Übermalung ist ein Grundprinzip der Ausstellung und vielleicht Gollers künstlerischen Ansatzes überhaupt. Die untere Schicht, meist Inhaltsträger, bleibt nur noch fragmentarisch erhalten oder wird in Ausschnitten wieder ausgegraben.
Das Schachspiel entwickelt sich aus einer dialogischen kommunikativen Situation. Eine Sprache irgendwie, ein Gespräch, statt aus Wörtern aus Zügen bestehend. Aus dem guten Spiel (wie auch aus dem guten Gespräch) entsteht ein eigenes Gesprächsbewusstsein, ein interdialogisches Subjekt. Es ist dann so, als würde zwischen den Gesprächsteilnehmern (oder Spielern) eine dritte Person auftauchen, die durch ihre Präsenz den Dialog steigert: Das dialogische Bewusstsein. So einen Versuch macht nun auch die Malerei, nach dem Bewusstsein dazwischen zu suchen. Mittel sind Ebenen, Fragmente, Einbrüche und die Hoffnung, dass im Malerischen sich alles findet.
Was flüchtig betrachtet vielleicht wie ein mehr oder weniger zufällig zusammengepinseltes Farbgebilde daherkommt, erweist sich bei genauerem Hinsehen jedoch als durchdachte Komposition. Man erkennt die gezielte Farbauswahl und den bewussten Einsatz der künstlerischen Ausdrucksmittel eben eine wohlgeordnete Zusammenfügung. Skizzen und Studien sind deswegen auch wichtige Vorarbeiten für Goller, der allerdings auch dem Zufall beim Arbeiten noch seinen Raum lässt. In ständiger Reflexion treibt er seine Bilder voran, verdichtet, verwirft und übermalt immer wieder. Das kann sich zum Teil über sehr lange Zeiträume erstrecken - schließlich kann man in seinen Werken aber immer auch etwas von diesem Prozess verspüren. Es sind keine glatt gestrichenen Bilder, keine leblosen Gebilde, sondern impulsiv-leidenschaftliche Malereien. Der Einstieg in jedes seiner Gemälde ist wie das Aufspüren einer Erzählung. Wie ein dickes Buch hält es für uns einen Schatz an Geschichten bereit. Es hat fast etwas mit Archäologie zu tun, seinen Werken auf den Leib zu rücken, sie sprechen zu lassen, denn man muss diese Schichten für sich freilegen. Die Mehrschichtigkeit und Komplexität, das Gleichzeitige disparater Geschehen, von dem unsere Tage bestimmt sind, finden sich hier entsprechend visualisiert.
In den großen Leinwänden ergießen sich Formen und Inhalte von orchestraler Fülle und Opulenz auf den Betrachter. Man ist fast geneigt, hier von einem Horror vacui zu sprechen. Dagegen bilden die Zeichnungen und Arbeiten auf Papier mit ihrer kammermusikalischen Konzentration eine Art Gegenpol. Sie sind sparsamer im Bildaufbau und auf wenige Elemente reduziert. Ganz deutlich wird hier eine weitere Gollersche Eigenheit sichtbar: eine gewisse Diskrepanz oder Zweigleisigkeit in den verwendeten Mitteln, was allerdings gut auskalkuliert ist: Exakte Zeichnungen feinster Linearität, zumeist Stillleben-Szenerien oder antike Porträtbüsten darstellend, treffen auf gestische Farbspritzer, Tropfen, Flecken, wodurch die Werke ihre pulsierende Dynamik und einen eigenen Rhythmus bekommen."
Alexander Stoll, Neue Sächsische Galerie 04/2006
Mögen Sie, liebe Schachfreunde und Kunstliebhaber, die gleiche Freude an der Ausstellung Michael Goller. Schachbilder haben, wie ich sie bei deren Vorbereitung erleben durfte. Und kein Ort ist besser für diese Ausstellung geeignet: Görlitz als Stadt mit Symbolkraft zwischen Grenze und Dialog, Miteinander und Reibefläche. Wie Schach.
Anett Sänger
Michael Goller. Schachbilder, 11. - 29. März 2008 NeisseGalerie Görlitz, Elisabethstraße 10/11, 02826 Görlitz Eröffnung am 11.03.2008 18.00 Uhr Öffnungszeiten: Di bis Fr 11-18 Uhr, Sa 10-16 Uhr (außer Karfreitag)
Annett Sänger ist Vizepräsidentein und Webmasterin des Schachvereins Görlitz 1990 e.V.; http://www.schachverein-goerlitz.de/ Zu jedem Äskulapturnier erstellen die Görlitzer ein kleines Heft (A5, 32 Seiten + farbiger Umschlag), genannt Schaufenster. Sie ergänzen das Heft durch Beiträge zum Schach wie der Würdigung eines Schachmeisters, Problemschachaufgaben von Fritz Hoffmann, Interessantes aus Görlitz und der Oberlausitz, traditionelle Küchenrezepte, Anekdoten und vieles mehr. Das Heft mit einer Auflage von 1500 Stück wird an die Turnierteilnehmer und Sponsoren kostenlos verteilt und hat durchaus schon einen gewissen Kultstatus. Auf http://schachverein-goerlitz.de/Turniere/Aeskulapturniere/AeskulapTurniere.html finden Sie die Jahrgänge 1992 - 2003 zum Download. Obiger Text stammt aus der Feder der Autorin in der Ausgabe dieses Jahres. |