Eine Schockwirkung der ganz anderen Art Natürlich geht es bei der Schacholympiade zuvorderst um die begehrten Medaillen und gute Platzierungen. Aber was wäre so ein sportlicher Wettbewerb auf allerhöchsten Niveau ohne manch illustre Begebenheiten am Rande, die quasi das Salz in der Suppe sind...
Was die Frage der 10. Quiz-Runde angeht, so waren sich bis auf elf Einsender alle einig, dass einzig [D] Jonathan Penrose die richtige Lösung sein muss. Der zehnmalige britische Meister (1958-1963 und 1966-1969) war bei der 1970-er Schacholympiade in Siegen jener Unglücksrabe, der in Gewinnstellung eine Figur einstellte und daraufhin ohnmächtig wurde.
Interessant ist es für die Rätselmacher immer wieder, auf welche Quellen unsere Mitspieler zurückgreifen. Favorit ist natürlich Wikipedia, aber nicht nur in der deutschen Version, wie Axel Eisengräber-Papst aus Sonsbeck beweist, der uns auch auf den wohl größten Erfolg des Engländers bei Olympia hinwies. 1960 in Leipzig gewann nämlich Dr. Penrose (Jahrgang 1933) in der letzten Runde gegen den amtierenden Weltmeister Michail Tal. Es war die einzige Verlustpartie des UdSSR-Teams!
Doch zurück zum Siegener Missgeschick, dass in Durchgang 8 im Kampf zwischen England und dem Schachzwerg Andorra in der Vorrunde geschah.
Glücklicherweise habe ich in meiner Sammlung das schöne Turnierbuch vom British Chess Magazine, worin der Zusammenbruch und anschließende Turnierrücktritt des britischen Spitzenspielers ausgiebig beleuchtet wird!, so Peter Opitz aus Braunschweig...
Stellung nach 46...Ta5
Der Gegner des englischen Spitzenspielers Olav Ulestad hatte gerade 46...Ta5 gezogen. Weiß brauchte nun nur 47.Ld2 zu spielen, und nach 47....Td5 48.Lb4 hätte er den Vorteil festgehalten. Doch es kam anders, denn Penrose zog unerklärlicher Weise
47. Txd6??, worauf 47...Te5 48.Ta6 Te4 folgte, und nun stand Schwarz urplötzlich auf Gewinn, was dann wohl die eingangs erwähnte Schockwirkung der besonderen Art auslöste:
Jedenfalls musste die Turnierleitung sogar den medizinischen Notdienst einschalten, aber Gott sei Dank blieb Jonathans gesundheitliche Aussetzer ohne weitere Folgen. Allerdings bewog es wohl unseren hypersensiblen Engländer dazu, in der Finalrunde keine Partie mehr zu spielen und bei Olympia 1972 in Skopje zu pausieren.
Letztmalig es war seine insgesamt neunte Olympia-Teilnahme startete Penrose dann 1974 in Nizza. seine Bilanz am 3. Brett (+1 =5 6) war allerdings eher ernüchternd. Konsequent zog sich der Internationale Meister (aktuelle Elo-Zahl: 2405) deshalb vom Nachschach zurück und wurde allerdings ein sehr erfolgreicher Fernschachspieler, wie der Gewinn der Goldmedaille mit dem englischen Team bei der 9. Fernschach-Olympiade beweist.
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Bleibt noch folgende Wortmeldung von Stefan Horatschek aus Jena nachzutragen: Die Familie Penrose ist übrigens mit vielen hellen Köpfen besetzt. Jonathans Vater, der medizinische Genetiker und Mathematiker Lionel Penrose (1898-1972), schlug (schon vor den Kaczynskis) das Quadratwurzelgesetz vor und zeigte mathematisch, dass dann der Einfluss aller Bürger gleich groß ist. Jonathans Bruder Roger (1931) ist ein bedeutender Physiker, der beispielsweise theoretische Überlegungen zur Energiegewinnung aus rotierenden Schwarzen Löchern anstellte (Penrose-Effekt). Auch sein ältester Bruder Oliver (1929) schaffte es zum Mathe-Professor, und Mutter Margaret stand ihren Männer nicht nach, denn sie war Ärztin. Eine wirklich beeindruckende Familie!
Was schließlich unsere drei anderen Ohnmachts-Kandidaten angeht, so geben wir Udo Waltenberger aus Oelsnitz das Wort: Bobby Fischer, Wolfgang Unzicker und Wolfgang Uhlmann haben bei der Schacholympiade in Siegen nur jeweils eine Partie verloren, und diese nicht durch Einstellung einer Figur in aussichtsreicher Stellung.
Ein Blick in die Olympia-Chronik beweist, dass Bobby Fischer gegen Boris Spasski seine einzige Niederlage quittieren musste (der amtierende Weltmeister entschied damit auch das Duell an Brett 1 mit 9,5 Punkten aus 12 Partien/79 Prozent zu seinen Gunsten, während der Amerikaner bei 10 aus 13 auf 77 Prozent kam). Wolfgang Uhlmann musste sich einzig dem Jugoslawen Boris Ivkov beugen, während Wolfgang Unzicker mit Schwarz gegen Bobby Fischers geliebten Abtausch-Spanier das Nachsehen hatte (die erwähnten Partien findet man in der ChessBase-Datenbank!).
Ach ja, eine Schockwirkung kommt bekanntlich selten allein. Und aus Siegen 1970 ist ganz sicher auch die einzige kampflose Niederlage der Sowjets erwähnenswert. In Durchgang 2 der Vorrunden-Gruppe 1 wartete der Spanier Jesus Diez del Corral vergeblich auf seinen Gegner. Es war kein geringer als Viktor Kortschnoi. Seine Mannschaftskollegen hatten einfach vergessen, ihn zu informieren, dass diese Runde vorverlegt worden warm und ihn dann zu spät geweckt. Trotzdem kam Viktor der Schreckliche an Brett 2 mit 11 Punkten aus 14 Partien auf das beste Einzelresultat!
Zwölf Jahre später wartete sogar ein ganzes Team vergeblich auf seinen Kontrahenten. Das Olympiateam aus Uganda war bei seiner zweiten Olympia-Teilnahme nicht nach Luzern gefahren, sondern die Afrikaner suchten stattdessen im 200 Kilometer entfernten Lugano vergeblich nach der Schacholympiade. Erst ein Telexschreiben klärte den peinlichen Irrtum auf. So kamen die Griechen in der 1. Runde zu einem kampflosen 4:0-Erfolg.
Doch die Mannschaft aus Uganda war bei der 25. Schacholympiade in der Schweiz nicht der einzige Nachzügler. Sogar zwei Runden ließ Kenia aus, dessen Spieler und Offizielle zwischen Zürich und Bern umherirrte. Das Organisationskomitee zeigte sich jedoch großzügig und ließ ganz dem olympischen Geist verpflichtet, die Keniaten zur dritten Runde einsteigen. Nach 14 Runden im Schweizer System war keines der beiden Teams das Schlusslicht, sondern Uganda belegte mit 25 Punkten Platz 79 und Kenia kam mit 22,0 Zählern auf Rang 88 von 92 Mannschaften ein...
Kommen wir nun zu den Monatsgewinnern der Etappe ZEHN
Es gewinnen je einmal Anands beste Partien:
Fabian Gallien, Berlin
Andreas Csillag, Reutlingen
Detlef Schmidt, Dresden
Gerald Lück, Kamenz
Udo Lanz, Eberbach
Vielen Dank allen Teilnehmern. Mit jeder Ihrer Teilnahmen ist ein Los mehr im Topf zum Hauptgewinn (Ziehung Oktober 2008) |