Im Mittelpunkt des Kurses vom 07. 13. Juli 2007 standen Themen, die vor allem zur Wissenserweiterung im kommunikativen Umgang mit Aktiven bedeutsam sind.
Eingeleitet wurde der vielseitige Themenplan am Samstagabend mit einem Vortrag vom Generalsekretär der ECU und Sportdirektor des Deutschen Schachbundes, Herrn Horst Metzing, der in gewohnt sachkundiger Weise zu Strukturen, Funktionen und Aufgaben des Weltschachbundes sowie der Europäischen Schachunion referierte. Seine 30jährige Mitwirkung in FIDE-Gremien war ein wertvoller Kompass für das nicht immer leicht zu durchschauende internationale Schachgeschehen.
Der Sonntag war der umfangreichen Thematik zu psychologisch-pädagogischen Aufgaben der Trainertätigkeit vorbehalten. Sozialpsychologin PD Dr. habil Marion Kauke stellte in den Mittelpunkt der Ausbildung vor allem die notwendige soziale Kompetenz des Fachtrainers, der in die Lage versetzt werden soll, möglichst situationsadäquat zu handeln und in kritischen Momenten auch pädagogisch angemessen zu entscheiden.
Pädagogische Psychologie Wie man sich dieses erforderliche Wissen und Können aneignet, war ein ganzes Spektrum von sportpsychologischen Aussagen gewidmet: Schwierige zwischenmenschliche Situationen in Lehre und Training, Führungskompetenz und pädagogisch-psychologische Fachkompetenz wurden nicht nur grundlegend referiert, sondern auch in Rollenspielen aktiv praktiziert.
Die Teilnehmer überzeugten sich, wie leicht sich ein Gespräch festfahren kann, falls durch übereilte Bewertungen ohne Rücksicht auf die Argumente der Partner unnötig Widerstand aufgebaut wird. So führten der österreichische Bundestrainer Egon Brestian und Ulrich Haag, Heimtrainer von Arik Braun als U18 Jugendweltmeister, bühnenreif ein praxisnahes Wortduell zwischen Spitzentrainer und überehrgeizigem Vater nach einem enttäuschenden Turnierergebnis vor. Die anschließende psychologische Interpretation und Diskussion ergaben wertvolle Anstöße für wettkampfwirksame Motivation, gegenseitigen Respekt und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen für den angestrebten sportlichen Erfolg.
Rollenspiel
Erkenntnisproduktiv gestalteten Hanno Dürr und Großmeister Michael Prusikin auch das zweite Rollenspiel zum Thema: Unverbesserliche Fehler bei der Karlsbader Bauernstruktur. Im videografischen Replay wurde diesem psychologischen Dauerproblem nachgespürt und über das Brett hinaus durch Zugriff auf moderne gedächtnispsychologische Erkenntnisse zu menschlichen Aussetzern ergründet.
Erkenntnisproduktiv gestalteten Hanno Dürr und Großmeister Michael Prusikin auch das zweite Rollenspiel zum Thema: Im videografischen Replay wurde diesem psychologischen Dauerproblem nachgespürt und über das Brett hinaus durch Zugriff auf moderne gedächtnispsychologische Erkenntnisse zu menschlichen Aussetzern ergründet.
Die Lektionen am Montag hielt GM Michael Prusikin, Mitglied der deutschen Nationalmannschaft und inzwischen praktizierender Schachtrainer. Im ersten Hauptteil seiner Lektion befasste er sich mit grundlegenden Methoden in der Eröffnungstheorie. Dabei versuchte der Vortragende einer interessanten Betrachtungsweise zur ersten Spielphase nachzugehen. Es geht um die nicht nur akademische Fragestellung: darf man die traditionellen Eröffnungsgesetze wie schnelle Entwicklung der Figuren, Besetzen des Zentrums, wenig Bauernzüge u.a. außer kraft setzen, ohne dafür bestraft zu werden?! Als klassisches Beispiel dafür zeigte er eine in J. Watsons Buch Moderne Strategie enthaltenen Partie zwischen Kljawisch - Zhdanov, 1961 im Kapitel Der Niedergang der allgemeinen Regeln, in der Schwarz nach zehn Zügen nur eine Figur entwickelte (und gewann!).
In der Diagrammstellung nach geschah 9.Le2?! (9.Ld3±). Prusikin korrigierte Watsons Auffassung nach einer gründlichen Analyse des Partielaufs und stellte Steinitzs die Gültigkeit der ehernen Gesetze wieder her. Überflüssig zu erwähnen, dass speziell im Anfängerunterricht das Lehren dieser prinzipiellen Regeln als Pflicht anzusehen sind.
In Anlehnung an E. Sweschnikov, nannte er folgende Hauptprinzipien: Für Weiß: - Eroberung des Zentrums - Figurenentwicklung - Verhinderung der gegnerischen Entwicklung! (Prusikin) - Sicherheit (Schwächen vermeiden) - Schaffung von Schwächen im gegnerischen Lager, Angriff darauf. Für Schwarz: - Kampf um das Zentrum - Sicherheit - Figurenentwicklung - Vermeidung/Verteidigung von Schwächen - Verhinderung der gegnerischen Entwicklung (Prusikin).
Der zweite Hauptteil beinhaltete die Grundlagen der Taktik, speziell Methoden des Lehrens taktischer Ideen. Entsprechend den didaktischen Grundsätzen vom Einfachen zum Komplizierten, vom Bekannten zum Unbekannten richtete der Lektor das Augenmerk auf nachstehende Komplexe:
Mattbilder (Grundreihenmatt Standard, Grundreihenmatt Sargnagel, Grundreihenmatt andere Abweichungen vom Standard, Grundreihenmatt mit zusätzlichen Motiven wie Ablenkung, Hinlenkung etc.), Motive, Fähigkeiten der einzelnen Figuren, Anschauung (bildliche Sprache, Diagrammfragmente), Übung, Tests, Übungsstellungen, Themasimultan, Teilschritte (eine Kombination von hinten aufrollen).
Deutschland besitzt eine langjährige Tradition in der Ausbildung von Schachtrainern und Übungsleitern. Über den jetzigen Stand der Ausbildung informierte am Dienstag der ehemalige Vorsitzende der DSB-Ausbildungskommission und FIDE Instructor, Herr Hanno Dürr, aus Stuttgart.
Kerngedanken seiner umfangreichen Themengestaltung zur Trainer-Qualifizierung im Deutschen Schachbund und DOSB waren folgende Punkte:
- Struktur der Trainer-Qualifikationen (Kategorien A-, B-, C-Trainer und Regularien) - Struktur der Sportorganisation Deutscher Olympischer Sportbund - Kompetenzen guter Trainer und Handlungsfelder - Methodische und pädagogische Anforderungen an Trainer Ø Zielgruppen- (Zielpersonen-) Analyse und Trainingsziele Ø Parallelität von Lernprozess und Lehrprozess - Spezielle Handlungsfelder: Coaching und Führung (junger) Schachsportler - Dokumentation und periodische Revision von Trainingskonzepten und plänen.
In einem speziellen Thema zur Zielgruppenanalyse und Trainingsziele vermittelte der erfahrene Referent beispielgebende Dokumentationen, Trainingspläne, Ausarbeitungen, Checklisten für Übungsleiter, Anleitungen für Trainingshand- und Logbücher, Informations- und Fragebogen zur schachsportlichen Ausbildung im Schachverband Württemberg und Deutschen Schachbund.
Am Mittwochvormittag behandelte Frau Dr. Kauke das Thema Psychologische Einflussnahme bei Zeitnot, Angst, Verlustärger und Aussetzern. Mit viel Humor wurde die gedankliche Fasslichkeit, Aufnahmebereitschaft und Flexibilität der Auszubildenden erweitert. An typischen Vorkommnissen wie Angst, Ärger, Zeitnot und Patzern wurde mental Denkbeweglichkeit über die 64 Felder hinaus geübt. Schließlich müssen es Spieler in ihrer Entwicklung zum fähigen Trainer verstehen, schwierige Situationen im Umgang mit anderen Personen und sich selbst kreativ zu wenden, ehe sie sich zu unüberwindlichen Hindernissen auftürmen.
Über ein ganz aktuelles Thema referierte anschließend der Organisationsleiter des Deutschen Schachbundes, Herr Christian Greiser. Vorgestellt wurden die brandneuen Rahmenrichtlinien des Deutschen Schachbundes für die Ausbildung von Trainern, die eine Reihe von aktuellen Fakten, Anforderungen und Kriterien für den Aus- und Weiterbildungsprozess aufweisen. Da der Lektor als Insider von Anfang an den Werdegang der neuen Rahmenrichtlinien inhaltlich begleitete, war es ihm möglich, auch schwierige und kritische Entwicklungsetappen des wichtigsten Dokumentes für die Trainerarbeit zu erklären.
Besprechung der Rahmenrichtlinien Im Besonderen wies er auch auf die günstigen Konstellationen zwischen dem Ausbildungsweg im DSB und der internationalen FIDE Trainerakademie in Berlin hin. So gibt es jetzt in den nationalen Richtlinien unter Punkt IV. Prüfungsordnung zur Lernerfolgskontrolle einen Unterpunkt 2.2 Ausbildungsweg B, der es ermöglicht, durch einen erfolgreichen Abschluss eines FIDE-Kurses den Titel in einen der drei Lizenzstufen A, B oder C zu beantragen (wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind). Eine praktische Auswirkung dieser neuen Richtlinie kann GM Prusikin in Anspruch nehmen, der neben dem FIDE-Trainertitel auch den nationalen Titel eines B-Trainers erwerben kann. Aus diesem Grunde war es auch möglich, dass C-Trainer Raymund Stolze aus Brandenburg an zwei Tagen am Lehrgang teilnahm und dadurch seine Lizenz verlängern konnte.
Wie bei jedem Kurs wurden am letzten Tag die eingereichten Trainerarbeiten verteidigt bzw. Lehrproben abgehalten. So gab es wiederum hochinteressante Themen, die nicht nur als formelle Prüfung zu betrachten sind, sondern gleichzeitig zur allgemeinen fachlichen Wissensvermittlung beitrugen. Folgende Trainerarbeiten wurden verteidigt:
Michael Prusikin: Typische Kampfsituationen für Weiß in geschlossenen Stellungen mit weißem Raumvorteil (Großbenoni-Formation, schwarze Bauern c5-d6-e5). Hauptgliederungspunkte: 1. Einleitung 2. Hebelarme Stellungen, Weiß spielt an zwei Flügeln 3. Pro und Kontra g2-g4 4. f7-f5 mit g2-g3+Sf3-h4 bekämpfen 5. f2-f4 gut oder schlecht? 6. Der Damenflügelhebel b2-b4 7. Tigran Petrosjan vs. Großbenoni 8. Zusätzliches Partienmaterial 9. Übungsstellungen
Egon Brestian: Motivstudium als wichtigste Grundlage taktischer Spielstärkesteigerung Gliederung: 1. Einleitung 2. Die Bedeutung taktischer Elemente im praktischen Spiel 3. Das Lösen taktischer Probleme 4. Der Schwierigkeitsgrad von Diagrammen 5. Schlussfolgerungen für das praktische Training
Ulrich Haag: Turniervorbereitung und begleitung von Arik Braun bei der Schachjugendweltmeisterschaft 2006 der Weg zum Titel Gliederung: 1. Vorbereitungsphase 1.1 Analyse bisheriger internationaler Einzelturniere 1.2 Strategische Wettkampfplanung 1.3 Schachliche Vorbereitung 1.4 Die Gegnervorbereitung 1.5 Die mentale Einstimmung auf das Turnier 1.6 Körperliche Fitness 2. Turnierverlauf 2.1 Organisatorischer Rahmen 2.2 Fortschrittstabelle von Arik Braun 2.3 Partien
3. Wesentliche Erfolgsfaktoren für den Titelgewinn
Lehrprobe (Vortrag) Christian Greiser: Zur Aufsichtspflicht im Schach
Lehrprobe Reinhardt Semmler: Gestaltung der ersten Unterrichtsstunde im Schach bei Anfängern.
In einer kurzen Abschlusszeremonie im Bibliotheksraum erhielten alle Teilnehmer vom Direktor der Trainerakademie GM Uwe Bönsch und ECU-Generalsekretär Horst Metzing ihre Zertifikate als FIDE Trainer oder FIDE Instructor ausgehändigt. Die Kursanten dankten den Veranstaltern für die angenehmen Aufenthaltsbedingungen und hoben hervor, dass ihnen die Tage beim Kurs nicht nur einen hohen Lerngewinn brachten, sondern dass es ihnen in Berlin auch gut gefallen hat. Das abschließende Blitzturnier in der Berliner Schachschule war mit 9 ½ aus 10 eine Beute des österreichischen Internationalen Meisters Egon Brestian aus Wien.
Lizenzierung durch Bundestrainer Uwe Bönsch
Insgesamt dauerte die Ausbildung in der FIDE Trainer Academy sieben Tage. In diesen sieben Tagen waren 35 bis 40 Unterrichtsinheiten zu je 45 Minuten, Organisatorische Abwicklung, Übernachtung mit Frühstück, Mitagessen, Kaffee, Getränke und Snacks während der Unterrichtswoche, Handouts, alle Prüfungen und Internetzugang während des Kurses enthalten!
Nächste Kursveranstaltungen an der FIDE Trainer Academy Berlin in diesem Jahr sind vom
27.07. 03. August - FIDE Trainer/Instructor-Kurs für 15 Trainer aus der Türkei 07. 09. September - A-Trainer-Weiterbildung des DSB 22. 23. September Spezielle ChessBase-Ausbildung mit IM Michael Richter 05. 11. Oktober - Internationaler FIDE Trainer/Instructor-Kurs
Dr. Ernst Bönsch |