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Ausbildung Mülheim a. d. Ruhr: Schachmetropole von morgen?
Ausbildung

15.09.2006
Axel Dohms, unseren fleißigen Artikeldienstmitarbeiter, muss man ja nun wirklich nicht mehr vorstellen. Ausnahmsweise fuhr er nicht quer durch Deutschland, sondern kehrte vor der eigenen Haustür...


Mülheim an der Ruhr: Die Schachmetropole von morgen?


Eine Vorbemerkung: Vor gut einem Jahr saß ich mit Kurt Lellinger, dem Gründer des Deutschen Schulschachpatents, zusammen, der mir Einzelheiten und Hintergründe darüber mitteilte, über Hochburgen sich freute und weiße Flecken wie z. B. Köln beklagte. Ob sich da etwas machen ließe? Ich habe verschiedene Adressen, unter anderem das Schulamt, angeschrieben. Keinerlei Reaktion. Monate später fiel mir per Zufall ein NRZ-Artikel in die Hände, dem zu entnehmen war, dass die Stadt Mülheim aus freien Stücken beabsichtigt, das Markenzeichen Schach auf ihre Fahnen zu heften. Von amtlicher Seite, gewissermaßen. ...

Ein erweitertes und ausgebautes Trier-Modell, sozusagen. Unterstützt von der Oberbürgermeisterin, Dagmar Mühlenfeld, ehemalige Lehrerin, von Wilfried Cleven, Sportdezernent der Stadt, die andere Kollegen rasch von der Idee überzeugen konnten. Beigeordneter Cleven nimmt sich 10 Minuten Zeit, um mich über den Stand der Dinge zu unterrichten.


"Guten Tag, Herr Cleven. Wie kam es zu diesem Entschluss?" – "Das geschah anlässlich eines Bundesliga-Heimspiels des SV Mülheim Nord 1931 e. V., als dessen Vorsitzender Heinz Schmitz die Oberbürgermeisterin, mich, den Sparkassendirektor Jörg Enaux, Alfred Schlya, den Präsidenten des Deutschen Schachbunds, Hans-Jürgen Dorn, den 2. Vorsitzenden SB NRW, und andere zu einer Diskussionsrunde über 'Gott und Schach' einlud, die auf anderthalb Stunden angesetzt war und drei Stunden dauerte. Sie wurde eingeleitet von einem überzeugenden Vortrag von Dr. Till Schelz-Brandenburg, verantwortlich für die Schachabteilung des SV Werder Bremen.


Eine Initialzündung, die den pädagogischen Wert des Schachs ins hellste Licht rückte. Wir wollten das gleich in diesem Schuljahr umsetzen, aber die Vorlaufzeit war zu kurz." – "Der NRZ-Artikel vom Februar 2006 bezeichnete also ziemlich genau die Geburtsstunde der Idee und entsprach der Ankündigungsphase. Wo stehen Sie jetzt, im Plan- oder Durchführungsstadium?" – "Ersteres. Wir haben die Universität Bremen gebeten, die Kosten für ein vierjähriges, wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zu ermitteln, die Grundschulen und Elternvertretungen um eine Stellungnahme gebeten und uns um eine finanzielle Unterstützung, möglichst über eine Stiftung, gekümmert. Die Perspektiven sind konkret und erfreulich." – "Was heißt konkret?" – "Wir werden zunächst mit zwei Grundschulen zusammenarbeiten." – "Und was heißt konkret bezogen auf den Termin?" – "Nach den Sommerferien 2007 könnte die Sache losgehen." – "Und wer gewährleistet die praktische Umsetzung?" – "Träger sind der SV Mülheim Nord 1931 e. V. sowie der Mülheimer Sportbund." – "Vielen Dank, Herr Cleven."


Jetzt nichts wie hin zum SV Mülheim Nord 1931 e. V. und zu Heinz Schmitz (beide derselbe Jahrgang!), der personifizierten Vereinsgeschichte. Der pensionierte Diplomingenieur ist seit 61 Jahren Mitglied des Vereins und seit 24 Jahren dessen Vorsitzender. Das lässt unterschiedliche Rückschlüsse zu, entweder: in dem Laden bewegt sich nichts mehr, oder: Enthusiasmus steckt an. Dass Letzteres zutrifft, wird schnell klar und spätestens bei Schilderung der zurückliegenden zwei Jahrzehnte Gewissheit.
Voll unverhohlener Freude schließt der rüstige Rentner die Tür zu seinem 250 qm großen Reich im rückwärtigen Teil des Südbads auf, das ausschließlich dem Schachverein zur Verfügung steht:


Ehemalige Umkleidekabinen, die von den 150 Vereinsmitgliedern umgestaltet wurden. Heinz Schmitz liefert gleich ungefragt die Entstehungsgeschichte dazu: "Wir mussten unser angestammtes Quartier, eine Altentagesstätte, im Oktober 2000 aufgeben, wurden im Februar 2002 mit der Stadt handelseinig, mussten die Umbauarbeiten in organisatorischer und finanzieller Eigenregie und -leistung bis zum Saisonbeginn 2002/03 bewerkstelligen. Keine jahrelange Kleinarbeit also, sondern knapp 5.000 Arbeitsstunden, oft in drei Schichten. Der Lohn: 25 Jahre Mietfreiheit, abgesehen von den Bewirtschaftungskosten."


Das Resultat ist eindrucksvoll: mehrere lichte, ganz auf die Bedürfnisse eines Schachvereins ausgerichtete Räume, im Mittelpunkt der Vereinsabendraum inklusive Computeranlage für Internet-Übertragungen wie z. B. die NRW-Meisterschaften Ende dieses Jahres; daneben links und rechts ein Besprechungszimmer und ein schalldichter Raum für Mannschaftskämpfe. Plus Küche, Sanitäranlagen und Materialkammer.


Das erlaubt (und verlangt fast) tägliche Nutzung: dienstags Jugendtraining, mittwochs für die älteren Semester samt Frauen von 14 bis 18 Uhr Schach bei Kaffee und Kuchen (Schmitz: "Die Leute stehen schon um 13 Uhr 30 vor der Tür, die Bude ist voll."), donnerstags abwechselnd Lehrgänge für NRW-Jugendliche und Erwachsene, freitags Vereinsabend, samstags Jugendspieltag, sonntags Mannschaftswettkämpfe. Und selbst am Montag, ursprünglich für Wartungsarbeiten und Versammlungen reserviert, gibt es weitere Trainingsmöglichkeiten. "Für dieses Angebot verlangen wir 12,- € Monatsbeitrag. Wir sind die Teuersten im Ruhgebiet, was dem Zuspruch, den wir erleben, keineswegs abträglich ist."


Ein hoher Standard in jeder Beziehung, der nach einer Spielberechtigung in der 1. Bundesliga förmlich schrie, die der Verein, der 10 Mannschaften und 3 Jugendteams, eines davon in der Bundesjugendliga West, unterhält, tatsächlich 2004 schaffte. Der vorläufige Höhepunkt einer 15jährigen Entwicklung, die 1991 begann, als unter dem alten Namen SV Mülheim Nord 1931 e. V. eigentlich ein neuer Verein entstand. Eine Zäsur.


Damals, zur 60-Jahr-Feier, setzten sich die Verantwortlichen zusammen und analysierten gründlich die Lage. "Jahrzehntelang mächtig aktiv, aber nur mäßig erfolgreich" kam als Erkenntnis heraus. Den Grund liefert H. Schmitz nach: "Wir waren ein Gesellschafts- , ein Geselligkeitsverein; bei Festivitäten ehrgeiziger als am Schachbrett." Das kommt jedem, der mit dem Vereinsleben vertraut ist, bekannt vor: Jene Gesellen, die sich die Vergangenheit schönreden. "Weißt du noch, wie wir damals über die Dörfer zogen..." usw.


Ein neues Leitbild musste her: Der Schachverein als moderner Sportverein, der das eine tut und das andere nicht lässt (s. Mittwoch nachmittag!), aber in den Mittelpunkt den Leistungsgedanken stellt und sich dementsprechend der Öffentlichkeit präsentiert. Mit allen Konsequenzen für die Trainings- und Öffentlichkeitsarbeit. "Das hat lange, lange gedauert, aber es ist geschafft", räumt Schmitz ein. Die Erfolge kamen nach und nach, die Mannschaften stiegen nicht mehr ab, sondern auf, die besten Jugendlichen wanderten nicht ab, sondern schwärmten nach Mülheim aus. Von überall her. Ausländer wurden nicht eingeflogen, sondern integriert.



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Schmitz formuliert es plastisch: "In Mülheim spielt jeder, der von seinem Wohnsitz aus den Kirchturm der Stadt sehen kann." Und Können wie Erfahrung in den Dienst des Vereins stellt. Denn der ist der eigentliche Star. Eine vernünftige Einstellung in einem Revier, das sich seit je her durch die Vielfalt der Herkunft und Kulturen auszeichnete. Ein typischer Ruhrgebietsverein eben. Dass sich unter diesem Blickwinkel Erfolg durch Leistung und Zugehörigkeitsgefühl zum Verein nicht ausschließen, belegt Schmitz eindrucksvoll am jüngsten Beispiel: "Als unsere Jugend den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hatte, habe ich unsere Bundestagsabgeordnete, Frau Flach, gefragt, ob sie etwas für uns tun könnte. Ihre Antwort: 'Geld hab ich keins, aber ich kann Sie nach Berlin einladen.' Das ist vom 23. bis 27. August geschehen. Und die Jugendlichen haben sich in der Nachbereitung schon neue Gemeinschaftserlebnisse ausgedacht."


Einbindung von Ausländern und Jugendlichen ist also eines der möglichen Erfolgsrezepte, jedenfalls das Motto von Heinz Schmitz, dem er sich seit seinem Amtsantritt verpflichtet fühlt. Einem anderen auch: "Wir züchten keine Großmeister. Wir wollen das schachliche Denken fördern." Was das ist, erklärt er anschließend und kann den Diplomingenieur nicht verleugnen: "In der Mathematik herrscht das Gleichheitszeichen, die Gleichung; Schach operiert mit Ungleichheiten, deren Ab- und Einschätzung."


Mittels Kooperation von Verein und Schule, die ebenfalls auf das Jahr 1991 zurückgeht, wirbt er dafür auf ganz eigene Weise. Er verkauft sein Vereinsprodukt nicht unter der Rubrik Schulsport. "Da winken die meisten Lehrer ab. Um Gottes willen, nicht noch zwei Stunden hocken und brüten. Das können wir den Schülern nicht zumuten." Sondern er bietet Schach als Lernhilfe und kreatives Denken an. "Und wir verlegen die Arbeitsgruppen aus den Schulen in den Verein. Da können die Kinder herumschnuppern und werden bis zum Springerdiplom kostenlos betreut." In größeren Anfängergruppen oder leistungsstärkeren Kleingruppen. Dann erfolgt eine Beurteilung: Du bist für den Schachsport nicht geeignet, du brauchst Individualtraining usw.


Das hat sich herumgesprochen und ausgezahlt. Wie sehr der Verein mit all diesen Maßnahmen in der Öffentlichkeit angekommen ist und sich allgemeiner Wertschätzung erfreut, dafür gibt es mehrere Belege. Ein unscheinbarer hängt im Eingangsbereich, der mir sofort aufgefallen ist: die Pin-Wand, übersät mit mehrspaltigen Zeitungsberichten über die Aktivitäten der abgelaufenen Saison. Ein auffälligerer ist der Austragungsort der BL-Heimspiele entweder in der Schalterhalle der Mülheimer Sparkasse oder in dem repräsentativen Haus der Wirtschaft, dem Mutterhaus des Thyssen-Konzerns, die auf große Resonanz stoßen. Sage und schreibe 300 Zuschauer sind die Regel, die in einem separaten Raum die ins Internet gestellten Kämpfe vor Monitoren verfolgen und diskutieren können.


Der nachdrücklichste Beleg ist zweifelsohne, wie oben berichtet, die offizielle Initiative der Stadt Mülheim, die über ein auf vier Jahre angesetztes Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen den Wert des Schachs wissenschaftlich ermitteln lassen will. Um dann vielleicht flächendeckend Schach in den Schulen zu etablieren. Das wäre ein Schritt über das vor einem Jahr vorgestellte Trier-Modell hinaus, das auf der Eigeninitiative einer einzelnen Schule basierte.


Dazu abschließend Heinz Schmitz: "Die Bedingungen sind gut, vier Grundschulen haben ihre Mitarbeit bereits zugesagt. Der Verein sitzt in den Startlöchern. Wir sind noch nicht am Ende unserer Entwicklung, wir müssen es nur richtig machen. Wenn das mit dem Schulschach klappt, werden andere Elternpflegschaften und Schulleitungen nachziehen. Das gibt dann einen tollen Aufschwung." Davon ist Heinz Schmitz überzeugt. Ich auch.


"Vielen Dank, Herr Schmitz, dass sie mir 2 Stunden Schachplauderei gegönnt und Einblick in Ihren Verein gewährt haben. Als Gegengabe bekommen Sie ein kleines, doppeltes Geburtstagsständchen von einem Auswärtigen. Versprochen."


Axel Dohms 

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Veröffentlicht von Klaus-Jörg Lais



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