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1001 Matt Kaissiber - die besondere Schachzeitschrift
1001 Matt

04.11.2006
Eine genauere Betrachtung von Axel Dohms.

10 Jahre Kaissiber - Ein Gratulationsausflug ins Münsterland

Kaissiber – eine Schachzeitschrift der besonderen Art. Sie bedient nicht die Tagesaktualität, ist auch kein Mini-Informator, der nach Fast-Food-Manier die taufrischen Neuigkeiten präsentiert. Sie bohrt, auf eigenbrötlerische Art, in den Stollen der Schachgeschichte und den Salzstöcken der Schachstellungen. Und befördert auf diese Weise ungeahnte Schätze ans Tageslicht der Öffentlichkeit: per "Rohrpost" aus dem "Brunnen der Vergangenheit" in die Gegenwart.

Ein literarischer Topos, der in der Romantik seine Blüte erlebte, bietet sich an – das Bergwerk als Werkstatt des Schriftstellers. Er schürft im historischen Staub nach dem Körnchen Gold.


Ich schmeiße mich mit gemischten Gefühlen ins Auto Richtung Nordwalde. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein treuer Leser und Abonnent dem verantwortlichen Redakteur persönlich Dank abstattet; vielleicht freut des ihn. Einerseits. Andererseits stiehlt ein solcher Besucher, der viel schlechter spielt und weniger weiß, ihm durch anderthalb Plauderstündchen vielleicht wertvolle Zeit. Aber das Risiko ist beiderseits überschaubar: Mich kostet es mit Hin- und Rückfahrt 6 ½ Stunden, soviel Zeit wie eine ausgewachsene Partie unter ausgewachsenen "Schächern".

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Ihn 90 Minuten, soviel Zeit, wie er für das Schreiben des nächsten Vorworts oder Artikels oder irgendeiner Variantenberechnung benötigt.

Stefan Bücker (Jahrgang 1959) ist ein ausgewiesen starker Spieler (früher Nordwalde, dann SF Dortmund-Brackel, heute SK Münster 32), der sich in den 1980er Jahren durch Broschüren und Bücher, vor allem den "Geier", einen Namen gemacht hat. "Daran erinnern sich noch viele."

Er empfängt mich in einem für diese Gegend typischen, behaglichen Backstein-Wohnwürfel der 1950er Jahre, seinem Elternhaus. Im Wohnzimmer mit Blick auf einen verwunschenen Garten nehmen wir Platz. Wieder ein Wohnzimmer als Ort des Geschehens; nicht als Zentrum einer Schachakademie, wie vor Monaten, sondern als Mittelpunkt einer Ein-Mann-Redaktion. An den Wänden etliche Regalmeter mit ca. 1000 Schachbüchern. Eindrucksvoll, wenn auch andere, z. B. Lothar Schmid, weitaus mehr haben.

"Ich habe das Wichtigste, was mein Spezialgebiet, die Eröffnung, betrifft, seit 1800. Von Allgaier über v. d. Lasa usw. Bis etwa 1950 war das Sammelgebiet noch überschaubar. Die Buch-Ader habe ich von meinem Bruder Peter mitbekommen. Das steckt an, wie Sie sehen." Daran schließt sich meine Frage an: "War es immer schon Ihr Wunsch, schachpublizistisch tätig zu werden?" Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: "Er war weitaus stärker als Schach zu spielen."

Mein Eindruck: Hier führt jemand die Existenz einer in der bürgerlichen Gesellschaft verloren geglaubten Spezies, die des Privatgelehrten. Vielleicht kehrt sie im Zeitalter des Internet zurück. Er schmunzelt: "Vielleicht ist das so; ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht." Sein Steckenpferd und seine Stärke ist die Verknüpfung von Schachhistorie und Schachtheorie. Sie gibt der Zeitschrift das eigenwillige Gepräge. Durchaus mit wissenschaftlichen Ambitionen: Genauigkeit, Gründlichkeit, Vollständigkeit.

Ebenso mit der ihr innewohnenden Experimentierfreude, wie das Vorwort zur Nr. 25 belegt: "Die neue Serie 'Auf der Fährte' geht die theoretische Forschung anders an als üblich. Reisen im Dschungel statt Laborberichten. Machen Sie sich aber auf Härten gefasst. Die Tour kann auch plötzlich vorbei sein, falls der Expeditionsleiter nicht mehr weiter weiß." Ich erkundige mich nach dem Verhältnis von theoretischer und historischer Fährtensuche. "Ich strebe eine Mischung 50 : 50 von Theorie und Geschichte an.

Manche beschweren sich über die Theorie-, andere über die Geschichtslastigkeit. Eine perfekte Balance gibt es nicht. Einen perfekten Beitrag auch nicht. Immer gibt es Kritiken von Spezialisten auf einem Teilgebiet, aber daraus ergibt sich ein lebendiger Dialog. Ich bin für jeden Kontakt dankbar."
Ich verhehle ihm meine eigenen Präferenzen nicht. Mir gefallen insbesondere die akribisch gearbeiteten Porträts vergangener Schachgrößen wie z. B. Fajarowicz oder Ludwig Engels in der jüngsten Ausgabe.

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Stefan Bücker

Bückers Reaktion: "Ich wäre froh, wenn ich in dieser Richtung noch mehr bekommen und veröffentlichen könnte, regionale Vereinsgeschichten usw. Die Leute glauben, 'Kaissiber' wäre kein Forum dafür, was ganz und gar nicht der Fall ist. Man müsste sich noch mehr vernetzen." Weit weniger, gebe ich zu verstehen, begeistert mich die jeweils 30 Seiten umfassende Stoffhuberei über eine Variante der italienischen Partie wie in den Ausgaben Nr. 24 und 25. Da schaue ich, als Praktiker der Jugendarbeit, stichprobenartig auf die Ergebnisse und vergleiche sie mit dem 30 Jahre alten Band von J. Estrin. Wenn ich dann das Fazit erfahre – in 6 Varianten gleiches Spiel, nur in Variante 7 kann Weiß auf Vorteil hoffen – frage ich mich nach dem Fortschritt, dem praktischen Nutzen und warum alle 7 Varianten veröffentlicht werden müssen. Bücker: "Das habe ich mich auch gefragt und gezögert. Aber jene feine siebte Variante, die das weiße Spiel enorm verstärkt, wäre ohne das vorherige Demolieren der alten Varianten 1-6 gar nicht entdeckt worden. Wer soviel Aufwand betreibt, um der Theorie neue Impulse zu geben, braucht auch Freiräume.

Außerdem: Diese Artikel sind der Beweis, dass eine unterschätzte Eröffnung gut spielbar ist. Drittens: Fernschachspieler können nicht genug davon kriegen." Um beiläufig anzufügen: "Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin seit einem Jahr selbst einer. In der Vierermannschaft des SK Münster 32." – "Mit oder ohne Hilfe des Computers?" – "Natürlich mit." Den Zusatz "Wettbewerbsverzerrung, sollen die Kisten gefälligst unter sich spielen" verkneife ich mir. Dass er jedoch ähnlich denkt, geht aus einer Bemerkung hervor: "Ich werde das wohl bald wieder sein lassen. Der Computer ist für mich vor allem ein Werkzeug und Hilfsmittel bei der Überprüfung meiner Analysen."

Er erfährt noch von anderer Seite wertvolle Hilfe. "Ich habe starke Unterstützung durch eine holländische Gruppe. Gerard Welling, der auf jedes Stichwort Anregungen parat hat, meine Korrespondenz mit ihm umfasst einige Aktenordner. Maurits Wind, seit längerem Mitarbeiter des 'Kaissiber', der Beiträge auf ihre Richtigkeit überprüft und selbst welche beisteuert." Das ist unabdingbar bei dem Zeit- und Arbeitspensum. "Mehr als 4 Hefte pro Jahr würde ich nicht schaffen." Das Quartal gliedert sich für Stefan Bücker so: erster Monat Aufarbeitung der liegengebliebenen Sachen, zweiter Monat Vorbereitung des nächsten Hefts, dritter Monat pure Maloche, "da geht die Freizeit drauf".

Für wen die ganze Schinderei? Für 1000 Abonnenten und 4000 Exemplare im freien Verkauf, 50 % Remittenden. "Das geht vielen Zeitschriften so, außer dem 'Spiegel' vielleicht", kommentiert Stefan Bücker. Die Zahl der verkauften Exemplare entspricht ziemlich genau der Zahl der Vereine. Dazu der Herausgeber: "Ich habe die stille Hoffnung, dass es in jedem Verein einen Menschen gibt, der mehr über Schach wissen möchte; muss nicht der Spitzenspieler, kann jemand aus der zweiten Reihe sein. Das ist mein Idealleser."

Genau danach, nach der Struktur der Leserschaft, wollte ich fragen. Mir ist bei Durchsicht der Leserbriefe aufgefallen, dass nicht so sehr starke Spieler oder die schon angesprochenen Fernschachspieler, sondern das durchschnittliche Vereinsmitglied sich zu Wort meldet. Der mit historischen Interessen oder Vorliebe für Originalität statt ausgetretener Pfade; der sich auf diese Weise verbessern will. Täuscht der Eindruck? "Durchaus nicht."

Gibt es vergleichbare Zeitschriften? An Jeroen Boschs "SOS" wäre zu denken, wohl nach dem "Kaissiber" entstanden. Oder im deutschen Sprachbereich an den "Randspringer", der seine Arbeit zwischenzeitlich eingestellt und kürzlich wieder aufgenommen hat. "Es gibt eine Traditionslinie", erklärt Stefan Bücker, "die auf die 1950er Jahre und eigentlich auf Emil Josef Diemers Postille 'Blackmar-Gemeinde' zurückgeht. Ab 1979 gab es 'The Myers Openings Bulletin' (MOB). Da habe ich begonnen, Artikel zu schreiben. Der Briefwechsel mit Hugh E. Myers hat mich bewogen, den Sprung von den Büchern zu meinem heimlichen Wunsch, einer eigenen Zeitschrift, zu wagen. Ich habe mit meinem Bruder Peter die Konzeption hin und her überlegt, bin dann von 1991 bis 96 Redakteur des 'Schach-Report' geworden. Vor allem, um die professionelle Seite des Handwerks, nicht zuletzt Kalkulation, kennen zu lernen. 1996 war es dann endlich soweit."

Der Name Diemer bringt mich auf eine weitere Frage, die mir unterwegs durch den Kopf ging: Wo ist die Grenze zwischen Ausgefallenem und Absonderlichem? Die Antwort kommt ohne Zögern: "Diese Grenze lote ich täglich aus. Ich versuche herauszufinden, was gerade eben noch spielbar ist." Es ist wohl auch eine fröhliche, gedankenreiche Breitseite gegen die Überschätzung der Theorie, überhaupt jedwede Form von Dogmatismus. "Ja, das ist ein Irrtum. Die Theorie ist nicht fest."

Davon kann sich jeder überzeugen, der seine Internet-Kolumne, die er sich noch zusätzlich einmal im Monat aufhalst, unter http://www.chesscafe.com , anklickt. Die nächste wird von seiner vorgestern am 2. Brett des SK Münster in der Oberliga NRW gespielten Partie handeln, die er gegen jemanden, der bei der SG Niederkassel bis zum 20. Lebensjahr seine vielversprechende Schachlaufbahn begonnen hat, absolvierte. Die Eröffnungszüge? 1. Sf3 – d6, 2. g3 – h6, 3. Lg2 – g5. Der Schwarzspieler (wer wohl?) gewann. Bei soviel persönlichem Einfallsreichtum und soviel Material, das der "Randspringer" und andere Publikationen hinterlassen haben und das methodisch aufgearbeitet zu werden verdient, ist die Zukunft des "Kaissiber" sichergestellt. Beim Abschied fällt mir ein Lied ein, das wir als Kinder in der Schule lernten und dessen abgewandelte Fassung durchaus als Geburtstagsgruß durchgehen kann:

 "Glückauf, der Bücker bleibt. Er hat ein helles Licht in der Hand..." Mindestens für 20 weitere Jahre, so ist zu wünschen.

Axel Dohms

http://www.kaissiber.de

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Veröffentlicht von Klaus-Jörg Lais



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