Anton Lindenmair bilanziert die WM in Goa Blindenschach 22.10.2006 XI. Einzelweltmeisterschaft im Blindenschach vom 09.-18.10.2006 in Goa (Indien) Blindenschach-WM in Indien? Als ich das zum ersten Mal hörte, stellten sich zwiespältige Gefühle ein. Einerseits Bedenken, ob eine so junge Blindenschachorganisation wie die Indische so ein Turnier überhaupt organisieren kann, andererseits die Verlockung des Neuen und unbekannten. Um es gleich vorweg zu sagen, die indischen Organisatoren brachten ein sehr gut durchorganisiertes Turnier mit allem drum und dran in einer sehr guten Umgebung zustande. Nach einer etwas strapaziösen Anreise von fast 30 Stunden insgesamt kamen wir am Samstag, den 7. Oktober am Nachmittag in unserem Hotel an. Die Inder hatten für die WM das Fünf-Sterne-Hotel "White Sand Resort" der schwedischen Radisson-Gruppe ausgewählt. Diese Auswahl brauchte wohl keiner der Teilnehmer zu bereuen. Es war alles vorhanden, was man so braucht. Eine Pool-Landschaft, Air-Condition (bei 35 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 % fast ein Muss) und einen ebenfalls klimatisierten Spielsaal mit genügend Platz für die Partien. Schade nur, dass das Baden im Meer zu dieser Jahreszeit zu gefährlich ist (die berühmte rote Flagge war ständig gehisst). Ich persönlich war auch sehr von den indischen Spezialitäten am Büffet angetan und kostete von allem, ohne es bereuen zu müssen. Andere taten sich da schwerer, aber die Geschmäcker sind halt verschieden. Doch nun zum eigentlichen Zweck unseres Aufenthalts in Goa. 73 Spieler aus 28 Ländern gingen an den Start. Das war - vor allem für die Veranstalter - vielleicht etwas enttäuschend. Im Vorfeld geisterten erheblich höhere Zahlen durch die Medien in Indien. Schade vor allem, dass außer den Gastgebern keine Vertreter aus der Region am Start waren. Auch einige Kernländer der IBCA (International Braille Chess Association) wie Frankreich, Belgien, die Niederlande, Dänemark etc. glänzten durch Abwesenheit. Dennoch war das Turnier so stark besetzt, wie nie zuvor eine WM im Blindenschach. Es ging auch von vorne herein zur Sache. Auffallend war, dass an der Spitze offenbar alle um den Titel und nicht um die Plätze spielen wollten. Selbst in den internen Duellen der Russen gab es keine Gnade. So wechselte die Führung ständig. Nach 7 Runden führte noch der Ukrainer Wassin, verlor dann Runde 8 und 9 und fand sich auf Platz 9 wieder. Am Ende gelang es Vladimir Berlinski (RUS) mit 7,5 Punkten zum zweiten Mal, sich den Weltmeistertitel zu sichern. Seinen ersten WM-Titel hatte er sich vor sage und schreibe 20 Jahren 1986 in Moskau geholt. Silber ging - doch etwas überraschen - an Larduett aus Kuba, wenngleich er vor einigen Jahren bereits schon einmal ein gut besetztes Blindenschachturnier in Spanien gewinnen konnte. Die Bronzemedaille sicherte sich die mehrfache Weltmeisterin im Blindenschach Luba Zsiltzova aus der Ukraine, die in diesem Jahr bereits bei der Schacholympiade in Turin für die IBCA-Auswahl spielend mit 9 Punkten aus 10 Partien das beste Ergebnis aller Teilnehmerinnen erzielt hatte. Und nun zum - aus deutscher Sicht - erfreulichsten Ergebnis. Frank Schellmann aus Halle konnte sich bei seinem ersten Auftritt bei einer Blindenschach-WM auf Anhieb in die Weltspitze spielen. Mit 6,5 Punkten erkämpfte er sich einen ausgezeichneten 7. Platz - punktgleich mit dem Vierten. Dabei spielte er praktisch ständig gegen Gegner, die 100 - 200 Elo-Punkte schwerer waren als er selbst. Verdeutlicht wird seine sensationelle Leistung, wenn man bedenkt, dass Frank als Nummer 29 gesetzt war. Nicht so gut lief es für den deutschen Meister im Blindenschach Dieter Bischoff aus Heidelberg. Zwar stimmten 2,5 Punkte aus den letzten 3 Runden und ein Gesamtergebnis von 5,5 Punkten auf Platz 19 dann doch noch etwas versöhnlich, doch hatte Dieter eigentlich mit Wassin nur einen echten Gegner der Spitze. Um es mit einem Vergleich aus dem Fußball zu sagen, wenn Frank diesmal in der 1. Liga spielte, so spielte Dieter in Liga 2. Mit 5,0 Punkten kam Jürgen Pohlers aus Leipzig auf Platz 23. Er spielte auch gegen einige starke Gegner und verdarb leider einige Gewinnpositionen noch zum Remis - so auch in der letzten Runde - sonst wäre ein besseres Abschneiden möglich gewesen. Bei mir selbst begann das Turnier ganz gut. Dem Auftaktsieg gegen einen Inder folgten 3 Remisen gegen überlegene Gegner und in Runde 5 eineNiederlage gegen einen ebenfalls stärkeren Gegner. Dann riss etwas der Faden und es wollte nichts mehr so richtig gelingen. 4,5 Punkte auf Platz 34 sind aber dennoch ein Ergebnis, mit dem ich ganz gut leben kann. Elisabeth Fries aus Gelsenkirchen erreichte 3,5 Punkte und damit Rang 59. Bei ihr wechselten Licht und Schatten ab. Sie hat aber bewiesen, dass sie sich vor keinem Gegner verstecken muss und bei einem solchen Turnier durchaus mithalten kann. Das Turnier endete am Mittwoch, den 18. Oktober dann mit einer flotten Abschlussfeier, bei der - wie üblich - viele Reden gehalten wurden. Den Veranstaltern war es sogar gelungen, den Sportminister für eine Teilnahme an der Schlusszeremonie zu gewinnen. Noch vor der Abreise erhielt jedes Team eine CD mit allen Partien, den Rundenergebnissen und vielen vielen Fotos überreicht. An dieser Stelle sei dem Team des indischen Blindenschachverbands (AICFB) ausdrücklich bestätigt, dass die Veranstaltung einen höchst professionellorganisierten Eindruck hinterlies. Die Organisatoren müssen sich da wirklich vor niemanden verstecken. Für das Jahr 2012 wollen sich die Inder übrigens um die Ausrichtung der Blindenschacholympiade bewerben. Mal sehen, ob ich dann wieder dabei sein darf. Indien wäre mir jedenfalls wieder eine Reise wert. Abschlusstabelle No Name Fed Rtg Pts P.S. 1 Berlinskiy, Vladimir RUS 2301 7.5 35.0 2 Despaigne, Carlos Larduet CUB 2308 7 33.5 3 ZsiltzovaLisenko,Lubov UKR 2284 7 33.0 4 Krylov, Sergey RUS 2393 6.5 37.5 5 Smirnov, Sergei RUS 2288 6.5 36.5 6 Pribeanu, Dacian ROM 2328 6.5 32.5 7 Schellmann, Frank Ger 2116 6.5 32.0 8 Kai Roger,Johansen Nor 2069 6.5 30.0 9 Wassin, Sergej UKR 2299 6 36.5 10 Guzynin, Vasiliy RUS 2302 6 31.0 11 Avram, Sretko Scg 2214 6 31.0 12 Mlacnik, Franc Slo 2128 6 28.0 13 Gunajew, Rafal POL 2251 5.5 32.0 14 Nizam, Rasim BUL 2244 5.5 30.5 15 Zoltek, Tadeusz POL 2239 5.5 28.5 16 Merendic, Vlatko Cro 2139 5.5 27.0 17 Ross, Chris Eng 2129 5.5 27.0 18 Cabarkapa, Milenko Scg 2197 5.5 26.5 19 Bischoff, HansDieter Ger 2168 5.5 26.0 20 Suder, Ryszard Pol 2217 5 31.5 21 Popov, Gennady Rus 2233 5 30.0 22 Palacios, Manuel Perez Esp 2206 5 28.0 23 Pohlers, Juergen Ger 2102 5 27.5 24 Vela, Jose Manuel Esp 2083 5 26.5 25 Tamayo, Norlis Yera CUB 2211 5 26.0 26 Alexey, Mikhalev RUS 2242 5 25.5 27 Konev, Viktor Ukr 2119 5 25.0 28 Draghici, Gavril Esp 2095 5 25.0 29 Habibulla, Aghalarov Azb 5 24.5 30 Muri, Emil Slo 2028 5 22.0 31 Hengles, Roberto Carlos BRA 1965 5 20.0 32 Magnusson, Jorgen SWE 2315 4.5 30.0 33 Romanenkov, Alexander Rus 2234 4.5 26.0 34 Lindenmair, Anton Ger 2103 4.5 24.0 35 Gelman, Gennadiy Azb 4.5 23.5 36 Saez, Oscar Gabikagogeaskoa Esp 2006 4.5 23.0 37 Udupa, Krishna IND 2057 4.5 22.5 38 Zarezadeh, Leila IRN 4.5 22.5 39 Hilton, Stephen Sco 2002 4.5 22.0 40 Zaja, Stjepan Cro 4.5 21.5 41 Kauzky, Hartmut Aut 2007 4.5 21.0 42 Eros, Pal Hun 2089 4.5 20.5 43 Gadodia, Gaurav IND 4.5 19.5 44 Bengt, Wikman Fin 1986 4.5 14.0 45 Ari, Tonteri Fin 1975 4 23.5 46 Rositsan, Boris Ltu 2205 4 21.5 47 Nikitin, Alexey RUS 2318 4 20.5 48 Shah, Swapnil IND 1971 4 20.0 49 Vojan, Istvan Hun 2066 4 19.5 50 Oza, Rajesh IND 1929 4 19.0 51 Alizadeh, Mohammad Riza IRN 4 18.5 52 Denes, Jozsef Hun 4 17.0 53 Jumabekov, Makhsut Kaz 4 16.0 54 Suess, Bernhard Sui 3.5 20.0 55 Patil, Shirish IND 3.5 19.5 56 Novikovas, Anatolijus Ltu 1857 3.5 18.5 57 Berggren, Patrik Swe 1913 3.5 17.0 58 Lapadatu, Teodor Rom 3.5 16.5 59 Fries, Elisabeth Ger 1831 3.5 15.0      Berginas, Sigitas Ltu 3.5 15.0 61 Filippos, Mpoudalaks Gre 3.5 14.5     Vaz, Jose Lucena BRA 3.5 14.5 63 Ghadiribidhendi, Alimohammad IRN 2130 3 20.0 64 Bagayatkar, Madan IND 3 16.0 65 Patel, Darshan IND 3 14.0 66 Vilas Boas, Crisolon BRA 3 13.5 67 Siromachos, Loannis Gre 3 12.5 68 Spele, Richard SWE 3 11.5 69 Delaney, Michael Ire 3 9.5 70 Christos, Papadopoulos Gre 2.5 14.5 71 Spychala, Jozefa POL 2.5 12.0 72 Patil, Vasant IND 2.5 10.0 73 Gromme, Alfred Gustav Louis Sui 1538 2 10.0 Anton Lindenmair Dieser Artikel wurde bereits 2046 mal aufgerufen. Veröffentlicht von Klaus-Jörg Lais

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