Willingen. (sdi) "M-A-T-T-H-I-A-S" - das Mädchen buchstabiert den Namen, den der ältere Herr in das Buch schreiben soll. Der Mann, der die Bücher signiert, spricht gebrochen Deutsch und hört etwas schwer - doch das stört niemanden. Mit Hochachtung flüstert einer der Umstehenden: "Das ist einer der größten Schachspieler der Welt."
Das ist Viktor Kortschnoi in der Tat - der 73-jährige gebürtige Russe ist Schachgroßmeister, er hat gegen Anatoli Karpov, Gari Kasparov und viele andere gespielt. Nach Willingen ist er aus zwei Gründen gekommen: Erstens signiert er seine im Vorjahr erschienene Biografie "Mein Leben für das Schach". Zweitens trifft er bei den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften im Schach auf viele junge Spielerinnen und Spieler.
"Für uns ist es wichtig, eine Schachlegende zu präsentieren - gerade die Jugendlichen streben nach Vorbildern", erklärt Jörg Schulz vom Deutschen Schachbund. Und die Kinder und Jugendlichen wissen, wen sie vor sich haben: "Sie haben so aufmerksam zugehört", berichtet Kortschnoi verwundert über seinen Eindruck, als er am Mittwoch je eine Partie der Jungen und Mädchen U18 kommentiert....
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... Rund 450 junge Spielerinnen und Spieler sind zu den Schachmeisterschaften nach Willingen gekommen. Dazu kommen noch Trainer, Eltern und Betreuer, so dass insgesamt etwa 700 Anhänger des Denksports im Sauerland Stern Hotel weilen. Sie spielen in den Altersklassen U10, U12, U14, U16 und U18 - bei den älteren nach Geschlechtern getrennt, weil - erläutert Schulz - nach der Pubertät bei Mädchen das Interesse an Schach massiv nachlasse. Der jüngste Teilnehmer ist gerade einmal fünf Jahre alt, spielt allerdings in der offenen Altersklasse bis 25 Jahre.
Die heimische Schachwelt vertritt Louisa Hohmann vom SV Brilon in der Altersklasse U12. In bisher acht Runden hat sie dreimal gesiegt, viermal verloren und ein Remis erreicht. Damit ist sie im Mittelfeld: Unter den 19 Mädchen ihrer Altersklasse steht sie auf Rang 7, unter den insgesamt 98 Teilnehmern der U12 auf Rang 58. Heute muss sie sich in zwei weiteren Runden beweisen.
32 Jugendliche aus den Altersklassen U10 und U12 hatten gestern eine besondere Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen: Sie spielten simultan gegen Großmeister Kortschnoi. Qualifizieren mussten sich die Kinder für dieses Turnier nicht mit spielerischen Erfolgen - sie mussten darlegen, warum sie gegen Kortschnoi spielen wollen. "Weil ich dabei auf jeden Fall gewinne - auch wenn ich verliere", brachte Maximilian Berchtenbreiter (U12) auf eine kurze Formel, was sicherlich viele dachten.
Kortschnoi kann das übrigens gut nachvollziehen - er spielt auch am liebsten gegen schwierige Gegner, gibt er zu. Auch im Alter von 73 Jahren analysiert er täglich Schachspiele. Wieviel Routine der humorvolle Senior hat, wird deutlich, wenn er scheinbar im Vorbeigehen beim Simultanturnier die Figuren rückt. Auf die Frage, wie er es schaffe, mit Abstand der beste Spieler seines Alters zu sein, lacht der Russe - er müsse Schach spielen. Er sei wegen des Schachspiels aus der Sowjetunion in die Schweiz emigriert - "wenn ich aufhöre, muss ich wieder zurück. Aber die Sowjetunion existiert nicht mehr. Was also soll ich machen, wenn ich aufhöre?"
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