von Egon Ditt
Am 28. September vollendete unser Ehrenpräsident Alfred Kinzel das 90. Lebensjahr.
Alfred
Kinzel ist vor allem ein begeisterter Schachspieler. Sein größter
sportlicher Erfolg: 1959 und 1961 errang er, damals als Endvierziger, mit
seiner Mannschaft, der Berliner SG Eckbauer von 1827, die deutsche
Mannschaftsmeisterschaft. Oder ist seine Leistung mit 89 Jahren höher zu
werten: In seinem heutigen Verein Neuruppin erzielte er in der Saison
2001/2002 sieben Punkte aus sieben Partien! Er spielt, wann immer er einen
Gegner hat; Brett und Figuren sind immer in der Nähe, im Auto, im Reisegepäck
und natürlich zu Hause in Neuruppin. Ich erinnere mich an viele Partien in
Hotels, im Flugzeug und in Neuruppin.
Ein Mann wie Alfred Kinzel belässt es aber nicht nur beim
Schachspielen, er will auch etwas tun für seinen geliebten Sport. So übernahm
er Aufgaben in seinem Verein und wurde dessen Vorsitzender. Besonders geschätzt
waren die von ihm im wahrsten Sinne des Wortes "minutiös" geplanten
Schachreisen der Eckbauer-Mannschaft per Pkw quer durch Europa.
Er wurde Vorsitzender des Berliner Schachverbandes, dessen Ehrenpräsident er
heute ist.
1966 wählte ihn der Kongress des Deutschen Schachbundes in Travemünde zum 2.
Vizepräsidenten. Im Präsidium arbeitete er mit legendären Persönlichkeiten
des deutschen Schachs wie Emil Dähne und Ludwig Schneider, Alfred
Brinckmann und Ludwig Rellstab, Max Eisinger und Lothar Schmid
zusammen.
1971 wählte ihn der Kongress in Berlin zum 1. Vizepräsidenten und damit zum
Stellvertreter des Präsidenten. Nach dem zu frühen Tod von Ludwig
Schneider trat er auf dem Kongress auf Helgoland 1975 dessen Nachfolge als
Präsident des Deutschen Schachbundes an.
Alfred
Kinzel besitzt hohe Führungsqualitäten: Er hat Visionen für die Zukunft
des Verbandes, die Schritte zur Weiterentwicklung plant er detailliert, er
geht auf die Menschen in seiner Umgebung ein und überzeugt sie, hört aber
zugleich auf ihre Ratschläge. Sein Beharrungs- und Durchsetzungsvermögen führt
die Organisation auf den vorgezeichneten Weg. Was wollte Alfred Kinzel
1975 erreichen?
a)
Wie schon einige Zeit im Präsidium diskutiert, wollte er den Deutschen
Schachbund professionalisieren. Dazu gehörte vor allem die Einrichtung einer
Geschäftsstelle mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer, aber auch die
Einführung einer Mitgliederdatenbank, auf deren Grundlage Spielerpässe
ausgegeben werden.
b) Der nationale Spielbetrieb sollte ausgebaut werden und
hochkarätige internationale Veranstaltungen sollten in Deutschland
stattfinden.
c) Im nationalen Bereich wollte er den Deutschen Schachbund stärker
im Deutschen Sportbund verankern, im internationalen Bereich wollte er die
Stellung des deutschen Schachs im Weltverband FIDE ausbauen und insbesondere
bessere Kontakte zu den Verbänden in Osteuropa schaffen.
Um diese
ehrgeizigen Ziele anzugehen, musste vor allem der Beitrag erhöht werden, der
bei seinem Eintritt in das Präsidium 1,00 DM pro Spieler, Jugendliche 0,50
DM, betrug und bei rund 45.000 Mitgliedern 40.000,00 DM in die Kasse brachte
(heute zahlen rund 90.000 Mitglieder 6,50 €). Um die Mitgliedsverbände in
diese Richtung zu bewegen, bedurfte es all der Qualitäten, über die Alfred
Kinzel verfügt.
Die Geschäftsstelle wurde in Berlin eingerichtet und Horst Metzing als
Geschäftsführer eingestellt. Die Mitgliederdatenbank wurde erst bei einer
Firma verwaltet, heute in der Geschäftsstelle.
Der Spielbetrieb wurde vor allem durch die Einführung einer zunächst
viergeteilten Bundesliga im Jahre 1974, die dann 1981 in eine einteilige
Bundesliga umgewandelt wurde, erheblich intensiviert; die Zahl der nationalen
und internationalen Schachveranstaltungen vervielfältigte sich in dieser
Zeit.
Willy Weyer als Präsident des Deutschen Sportbundes referierte 1976 im
Präsidium und hielt auf dem Kongress 1977 in Bad Lauterberg die Festrede zum
100-jährigem Bestehen des Deutschen Schachbundes. Daraus ergab sich nach
einer Attacke des Bundesministers der Finanzen gegen die Gemeinnützigkeit des
Schachsports eine feste Koalition, die letztendlich den Angriff abwehren
konnte.
Im Weltverband FIDE erreichte Alfred Kinzel durch seine persönliche
intensive sachbezogene Mitarbeit ein hohes Ansehen des Deutschen Schachbundes.
Er wurde in den Exekutivrat der FIDE gewählt, das höchste Führungsgremium
neben Kongress und Vorstand.
1983
im 72. Lebensjahr verzichtete Alfred Kinzel auf eine erneute
Kandidatur, damit das Amt des Präsidenten in jüngere Hände gelegt wurde.
Der Bundeskongress 1983 in Saarbrücken setzte ihn als Ehrenpräsidenten ein.
Er
nimmt bis heute regelmäßig an allen Präsidiumssitzungen teil und ist
Vorsitzender des Ehrenausschusses.
Der
Deutsche Schachbund hat Alfred Kinzel viel zu verdanken; das gilt auch für
seine Frau Gertrud Kinzel und die Familie, denn der Preis der ehrenamtlichen
Arbeit ist, dass die Familie viel zu oft auf den Ehrenamtlichen verzichten
muss. Ohne das Verständnis und die Unterstützung der Familie wäre ein
erfolgreiches ehrenamtliches Engagement nicht möglich. Herzlichen Dank!
Alfred
Kinzel hat alle Ehrungen erfahren, die dem Deutschen Schachbund möglich
sind. Er ist unser Ehrenpräsident und Träger der Goldenen Ehrennadel. Der
Bundespräsident hat ihn durch das Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Ich kann aber
mitteilen, dass Anfang November in Bled eine weitere Auszeichnung durch die
FIDE auf Vorschlag des Deutschen Schachbundes bevorsteht: Alfred Kinzel
wird durch den Präsidenten Kirsan Ilyumzhinov zum Ritter der FIDE
ernannt und ist damit der erste Schachorganisator, der diese Auszeichnung erhält.
Der Deutsche
Schachbund gratuliert ganz herzlich und wünscht ihm weitere erfüllte Jahre
bei guter Gesundheit und geistiger Frische im Kreise seiner Familie!
Autoreninfo
Egon Ditt,
* 29.05.1931 &dagger 2005, war Präsident und Ehrenpräsident des Deutschen Schachbundes