von Horst Metzing
Im
Rahmen der diesjährigen Schacholympiade wurde vom 8. bis 10. November 2002
der 73. FIDE-Kongress in Bled/Slowenien ausgerichtet. Im Vorfeld dieses
Kongresses spielten die Wahlen und die Problematik des Vereinigungswettkampes
die wesentlichen Rollen. In seinem Jahresbericht hob FIDE-Präsident Kirsan
Ilyumzhinov hervor, dass die Anstrengungen der FIDE, bessere Bedingungen für
die Spitzenspieler zu schaffen, mit dem K.O.-System der Weltmeisterschaft
erfolgreich waren. Er betonte u.a., dass auch dem Seniorenschach mehr
Aufmerksamkeit als bisher gewidmet werden sollte. Mit dem in Prag
unterzeichneten Abkommen ist die Grundlage geschaffen worden, einen
Wiedervereinigungswettkampf zu organisieren. Die Schachwelt hat damit
anerkannt, dass der Titel eines Schachweltmeisters der FIDE gehört. Für die
Neuwahlen gab es ursprünglich zwei Teams (Tickets), auf der einen Seite der
amtierende Präsident Kirsan Ilyumzhinov, auf der anderen Ignatius Leong aus
Singapur. Zwischen beiden wurde eine Vereinbarung getroffen, nach der ein
gemeinsames Ticket aufgestellt wird, dass aus dem Team von Kirsan Ilyumzhinov
und fünf zusätzlichen Vizepräsidenten gebildet wird. Unter diesen
Voraussetzungen zog Ignatius Leong seine Kandidatur zurück. Einstimmig wurden
dann folgende Mitglieder des Präsidiums (Presidential Board) gewählt:
- Präsident: Kirsan Ilyumzhinov (Russland)
- Stellvertretender Präsident: Georgios Makropoulos (Griechenland)
- Vizepräsident: P.T. Ummer Koya (Indien)
- Generalsekretär: Noureddine Tabbane (Tunesien)
- Schatzmeister: David Jarrett (England)
Als
Kontinentalpräsidenten wurden von den jeweiligen Erdteilen folgende Vizepräsidenten
gewählt:
- Nizar Eli Elhaj (Libyen/Afrika)
- Jorge Vega (Mexiko/Amerika)
- Khalifa Mohammed Al Hitmi (Qatar/Asien)
- Boris Kutin (Slowenien/Europa)
Zu
einem späteren Zeitpunkt wurden dann Ignatius Leong (Singapur), Morten Sand
(Norwegen) und Zurab Azmaiparashvili (Georgien) zu weiteren Vizepräsidenten
mit Stimmrecht gewählt bzw. ernannt.
Aus
Sicht des Deutschen Schachbundes sind noch folgende Wahlen von Bedeutung:
- Präsident der Zone 1.2 (mit Deutschland): Goran Antunac/Kroatien
- Paarungskomitee für Schweizer System: Christian Krause
- Mitglied der Medizinkommission: Dr. Hans-Joachim Hofstetter
- Vorsitz Kommission Schach und Kunst: Lothar Schmid
Die
FIDE-Satzung wurde insofern geändert, als das Executive Board (Präsidium) in
den Jahren, in denen es keine Generalversammlung gibt, deren Rechte wahrnimmt
mit der Ausnahme von Wahlen und Satzungsänderungen. Bezüglich der Teilnahme
an FIDE-Veranstaltungen wurde beschlossen, dass Spieler nach einem Föderationswechsel
dann zwei zusätzliche Jahre ihren neuen Verband nicht repräsentieren dürfen,
falls sie für diesen ohne eine entsprechende Spielberechtigung an einer
FIDE-Veranstaltung teilgenommen haben. Generell wurden die Startgelder
verdoppelt. Föderationen, die ihren Verpflichtungen gegenüber der FIDE erfüllt
haben, zahlen jedoch nur die Hälfte (also den gleichen Betrag wie bisher).
Damit soll erreicht werden, dass auch Einzelspieler von Föderationen, die
Schulden bei der FIDE haben, an Veranstaltungen teilnehmen können. Für die
neugeschaffenen Titel Meisterkandidat und Frauenmeisterkandidat wird eine Gebühr
von 75 CHF erhoben.
Ausführlich
wurden die neuen Weltmeisterschaftsregularien erörtert, die auch den
Vereinigungswettkampf beinhalten. Yasser Seirawan erläuterte dazu die
Auffassung des entsprechenden Lenkungsausschusses. Gemäß der Vereinbarung
von Prag soll Ruslan Ponomariov seinen Titel gegen Gary Kasparov im Mai/Juni
2003 verteidigen. Vladimir Kramnik soll gegen Peter Leko als Sieger des
Qualifikationsturniers von Dortmund im April/Mai 2003 spielen. Im Oktober 2003
werden die beiden Sieger dann um den WM-Titel spielen. Für den dann folgenden
WM-Zyklus 2003 bis 2005 gilt, dass der Weltmeister für das Halbfinale
vorberechtigt ist. In der Qualifikation soll es künftig ein doppeltes
K.O.-System geben. Die Bedenkzeit soll wieder verlängert werden. Nach der
jetzigen Planung sind 40 Zügen in zwei Stunden, gefolgt von 20 Zügen in
einer Stunde, danach 15 Minuten für den Rest der Partie sowie zusätzliche 30
Sekunden pro Zug vorgesehen. Die Zahl der Partien werden im Viertelfinale
sechs Partien, im Halbfinale acht Partien und im Finale 12 Partien betragen.
Im
Dezember 2003 findet das Qualifikationsturnier statt. Die ersten acht Spieler
erreichen die nächste Runde. Hinzu kommen die beiden Verlierer aus den
Halbfinalwettkämpfen des Vereinigungszyklus. Diese zehn Spieler werden im
ersten Quartal 2004 Kandidatenwettkämpfe austragen. Zu den fünf Siegern
kommt der Verlierer des vorherigen Weltmeisterschaftskampfes. Diese sechs
Spieler ermitteln die letzten drei, zu denen der Weltmeister stößt. Die
Halbfinalekämpfe sind im letzten Quartal 2004 geplant, das WM-Finale dann im
Mai/Juni 2005.
Im
WM-Zyklus 2005 werden sieben Spieler über das Qualifikationsturnier im
Dezember 2005 ermittelt. Zusammen mit dem Titelverteidiger werden dann die
entsprechenden Kandidatenwettkämpfe durchgeführt.
In
der Aussprache zu diesen Vorschlägen ließ Ruslan Ponomariov über seinen
Manager ausrichten, dass er gegen Gary Kasparov nur unter der Bedienung
antreten wird, dass nach der derzeitigen verkürzten Bedenkzeit gespielt wird
und dass er im Falle eines Unentschiedens seinen Titel behält. Gary Kasparov
wiederum betonte, dass der Titel des Schachweltmeisters bei der FIDE liegt und
dass daher die Generalversammlung das Recht hat, die Regularien festzulegen.
Er wird sich allen Bedingungen unterwerfen. Am Ende beschloss die
Generalversammlung, die Weltmeisterschaft gemäß dieser Vorschläge durchzuführen,
und bat das Präsidium, die Einzelheiten auszuhandeln.
Die
vom Deutschen Schachbund vorgeschlagenen Turnierbestimmungen für die
Senioren-Blitzweltmeisterschaft wurden angenommen. Für die erste
Veranstaltung 2002 in Naumburg wurde auf ein Startgeld durch die FIDE
verzichtet. Bei künftigen Veranstaltungen müssen die Spieler jedoch ein
Startgeld zahlen.
Die
Neufassung der Regularien für die Titelbestimmungen wurde generell
angenommen, abgelehnt worden ist der Vorschlag, die Schacholympiade im
Schnellschach auszurichten.
Künftig
erhält die ECU sämtliche Startgelder für die europäischen Wettbewerbe.
Diese Gebühren werden dann nicht mehr von der FIDE erhoben, sondern müssen
direkt an die ECU gezahlt werden. Als Gegenleistung wird die Höchstgebühr für
Turnierregistrierungen von derzeit 4.000 CHF auf 8.000 CHF angehoben. Mit
dieser Vereinbarung soll der ECU eine größere finanzielle Autonomie eingeräumt
werden. Die anderen Kontinente warten erst einmal auf die Erfahrungen Europas,
um sich danach zu entscheiden, ob sie sich dieser neuen finanziellen Struktur
anpassen sollen.
Im
vergangen Jahr wurde GM Alexandro Crisan, dem amtierenden Präsidenten der Rumänischen
Schachföderation, seine Titel als Großmeister und Internationaler Meister
sowie seine ELO-Zahl aberkannt. Ihm wurde vorgeworfen, falsche
Turnierergebnisse eingereicht und Wettkämpfe abgesprochen zu haben. Da diese
Entscheidung rechtlich fragwürdig war, wurde eine Vereinbarung getroffen,
nach der Alexandor Crisan bis zum 1. Januar 2004 mindestens zwei
internationale Turniere im Ausland spielen wird. Falls er dem nicht nachkommt,
wird seine ELO-Zahl in der Januarliste 2004 auf 2500 reduziert (derzeit 2588).
Die Aberkennung seiner Titel entfällt damit.
Folgende
deutsche Spieler haben den Titel eines Internationalen Meisters erhalten:
- Baramidze,David (ELO-Kondition)
- Drabke,Lorenz (ELO-Kondition)
- Seger,Rüdiger
- Breutigam,Martin
- Dinstuhl,Volkmar
- Fleck,Jürgen
- Kunin,Vitaly
Für
die Frauenweltmeisterschaft gibt es gegenüber den bisherigen Regularien
keinerlei Veränderungen. Die Europäische Kontinentalmeisterschaft wird als
Qualifikationsturnier im April 2003 ausgetragen, die Weltmeisterschaft dann
Ende 2003.
Die
von der ECU vorgeschlagene neue Kalenderstruktur wurde zur Kenntnis genommen,
ohne jedoch bereits jetzt eine Verpflichtung der FIDE festzuschreiben, ihre
Termine zwei Jahre im voraus festzulegen.
Die
Juniorenweltmeisterschaft wird auch weiterhin von der FIDE durchgeführt. Die
ECU hat diese Meisterschaft ab 2003 abgeschafft, die übrigen Kontinente
wollen jedoch daran festhalten. Sie findet von 8. bis 20. Dezember 2002 in
Panjim, Goa (Indien) statt, für 2003 wurde sie nach Baku/Azerbaijan vergeben.
Die
FIDE wird künftig den Titel eines "Internationalen Trainers"
verleihen. Die Einzelheiten dazu werden im Trainerkomitee festgelegt.
Angestrebter Termin für die Eröffnung der FIDE-Trainerakademie in Berlin
soll der April 2003 sein.
Verwirrungen
gab es bei der Schacholympiade über die angekündigten Dopingkontrollen.
Diese sind zwar durchgeführt worden, doch wurde bereits in der technischen
Besprechung angekündigt, dass auch im Falle eines positiven Ergebnisses
keinerlei Konsequenzen gezogen werden. Im Hinblick auf die neuen Überlegungen
der World-Anti-Doping Agency (WADA), Sportarten mit einem geringen Risiko
getrennt zu betrachten, wurden von der Medizinischen Kommission neue Überlegungen
zu den Antidopingregularien angestellt. Vorrangig geht es darum, vorerst
keinerlei konkrete Strafen auszusprechen, sondern nur Verwarnungen und
Belehrungen vorzunehmen. Außerdem wurde beschlossen, eigene Untersuchungen über
Dopingmöglichkeiten im Schachsport durchzuführen.
Die
nächste Sitzung des Presidential Boards (Präsidiums) wird von 24. bis 28.
Februar 2003 in Bukarest stattfinden. Der 74. FIDE-Kongress ist vom 26.
Oktober bis 2. November 2003 in Kallithea/Griechenland geplant.
Die
Durchführung der Schacholympiade 2004 auf Menorca/Spanien wurde noch einmal
bestätigt. In diesem Zusammenhang wird es dann wieder den FIDE-Kongress geben.
Für
den 76. FIDE-Kongress 2005 hat der Deutsche Schachbund eine Option erhalten.
Die
Schacholympiade 2006 wird in Turin/Italien ausgerichtet. In geheimer
Abstimmung erhielt Turin 105 Stimmen, Gegenkandidat Tallinn 12 Stimmen.
Hyderabad/Indien zog die Bewerbung kurzfristig zurück.
Die
Jugendweltmeisterschaften U10 bis U18 werden von 24. Oktober bis 3. November
2003 in Kallithea/Griechenland ausgerichtet. Dies gilt auch für die
Jugendweltmeisterschaft 2004. Für 2005 erhielt Frankreich den Zuschlag,
Indien für 2006.
Frankreich
wird die Seniorenweltmeisterschaft 2003 übernehmen, für 2004 wurde sie an
den Deutschen Schachbund vergeben. Ausrichter wird der Schachverband
Sachsen-Anhalt (Halle) sein.
Die
Südafrikanische Schachföderation wird die Amateurweltmeisterschaft im Juli
2003 ausrichten.
Die
Mannschaftsweltmeisterschaft 2005 findet in Goa/Indien statt.
Für
die Jugend U16 Olympiade gibt es Interesse in der Türkei und in Indien.
Von
23. bis 30. Oktober 2003 wird die Schnellschachweltmeisterschaft in Cap d'Agde/Frankreich
stattfinden.
Die
FIDE zeichnete folgende deutsche Repräsentanten aus:
- Alfred Kinzel wurde zum Ritter of FIDE (Knight of FIDE) ernannt.
- Dr. Claus Spahn erhielt den Gold Merit Award (Verdienstsmedaille Gold).
- Lothar Schmid wurde zum Ehrenmitglied der FIDE ernannt.
Das
Dortmunder Sparkassen Chess-Meeting wurde als eins der besten Turniere des
Jahres 2000 ausgezeichnet.
Die
Generalversammlung der ECU fand am 7. November 2002 in Bled statt. Es nahmen
daran alle europäischen Föderationen mit Ausnahme der Faroer Inseln, von
Guernsey, Jersey, Schottland und Wales teil.
In
seinem Rechenschaftsbericht bedankte sich Präsident Boris Kutin noch einmal
beim Deutschen Schachbund, bei der Bundesregierung und dem Berliner Senat für
ihre Unterstützung. Er betonte, dass eine Vielzahl neuer
Europameisterschaften durchgeführt werden und dass es für alle
Veranstaltungen Ausrichterinteresse gibt.
Da
Javier Ochoa und Jaan Ehlvest ihre Kandidatur kurzfristig zurückgezogen
hatten, wurde Boris Kutin einstimmig zum ECU-Präsidenten wieder gewählt. Als
neue Mitglieder des Vorstandes wurden Ali Nihat Yazici/Türkei und Gerry
Walsh/England gewählt. Die Generalversammlung beschloss dann eine Satzungsänderung,
nach der auf Vorschlag des Präsidenten ein zusätzlicher Vizepräsident dem
Vorstand angehört. Javier Ochoa wurde danach in dieses Amt gewählt.
Als
europäische Vertreter im FIDE Executive Board wurden Agostino Scalfi/Italien,
Peter Rajcsanyi/Ungarn, Israel Gelfer/Israel und Harry Dalso/Dänemark gewählt.
Die
Turnierordnungen wurden dann in einer kompletten Neufassung für alle
Veranstaltungen einstimmig beschlossen.
Der
Abschlussbericht des Ad Hoc Komitees wurde einstimmig angenommen. Zugleich
wurde ein neues Ad Hoc Komitee eingesetzt, das die ECU-Statuten überarbeiten
und zur nächsten Generalversammlung vorlegen soll.